Sitten und Bräuche in der Oberlausitz
Die Vogelhochzeit
Am 25. Januar jeden Jahres feiern die Kinder in vielen Oberlausitzer Orten die Vogelhochzeit. Die Sage erzählt, dass sich an diesem Tage die Elster mit dem Raben vermählt. Die Kinder stellen am Vorabend Teller auf die Fensterbretter, auf Türschwellen oder ins Freie und die Vögel füllen die Teller dann mit Geschenken von ihrer Hochzeit: Nüsse, Äpfel, Süßigkeiten oder Gebildbrote (gebackene Figuren). Die Vögel bedanken sich so für das Futter, das sie im kalten Winter von den Kindern bekommen.
Zu Lichten gehen
Vor Fastnacht sind in der südöstlichen Oberlausitz abends vermummte Gestalten unterwegs, die bei Freunden und Bekannten klingeln. Ihr Besuch wird schon lange Zeit vorher mit einer Postkarte oder einem Anruf angekündigt. Der Gastgeber muss erraten, wann und wieviele Lichtgänger kommen werden. Er muss herausfinden, wer die vermummten und verkleideten Besucher sind, erst dann legen sie ihre Masken ab und geben sich zu erkennen. Da die Vermummten kein Wort reden, hat es der Gastgeber sehr schwer, deshalb heizt er besonders ein, serviert heiße Getränke und erzählt lustige Geschichten, damit die Gäste schwitzen, lachen und dann schwatzen.
Fastnachtsbetteln
Am Fastnachtsdienstag sind die verkleideten Bettelkinder unterwegs. Sie ziehen von Tür zu Tür, wird geöffnet, sagen sie einen alten Bettelreim in Oberlausitzer Mundart oder ein neueres Sprüchlein auf, oder sie singen einen alten Vers. In den Bettelsack stecken sie alles, was man ihnen reicht, bedanken sich und ziehen weiter.
Zampern
Gezampert wird in der Fastnachtszeit in vielen sorbischen Dörfern. Die Leute ziehen verkleidet von Haus zu Haus und erheischen Gaben wie: Naschereien, Esswaren und hochprozentige Getränke. Begleitet wird das Ganze mit Musik und allerlei Mummenschanz. Gemeinsam wird dann abends gefeiert, bis die Gaben aufgebraucht sind.
Gehen zum Gründonnerstag
Das Gründonnerstag-Singen hat sich in einigen Orten der Oberlausitz erhalten. Die Kinder ziehen mit einem kleinen Bettelsack von Haus zu Haus und sagen ihre Verse in den Hausfluren auf. Dann erhalten die Kinder bunte Eier, Äpfel, Kuchen, Süßigkeiten, gebackene Figuren oder Geldstücke, manchmal auch ein Spielzeug.
Karfreitags-Rasseln
Der Brauch des Karfreitags-Rasseln hat sich in vielen sorbischen, katholischen Orten erhalten. In der Zeit von Gründonnerstag Abend bis Ostersonnabend schweigen die Glocken. Es wird damit der Kreuzigung Christi gedacht. Zu den Läutzeiten wird mit Holzklappern gerasselt, um die Gläubigen zu rufen.
Osterbäumchen und Ostersträuße
An Bäumen und Sträuchern, aber auch an Zweigen, die man ins Haus holt, werden bunte Eier gehängt, die die Kinder bemalt haben. Von den Sorben werden seit jeher die schönsten Ostereier gemacht. Es sind kleine Kunstwerke, die durch verschiedene Techniken gefertigt werden. Manchmal dauert das Färben drei bis vier Stunden. Jedes Jahr wird ein Wettbewerb um das schönste Osterei veranstaltet.
Osterwasser holen
Am Ostersonntag, noch vor Sonnenaufgang, gehen die Mädchen mit Krügen und Kannen zu Quellen oder klaren Wiesenbächlein, um Osterwasser zu holen. Das Wasser kann Schönheit verleihen und die Gesundheit erhalten. Beim Osterwasserholen darf aber nicht gesprochen werden, weder auf dem Hin- noch auf dem Rückweg, sonst verliert es seine Wirkung. Um es den Mädchen schwerer zu machen, verstecken sich unterwegs heimliche Beobachter, die sie erschrecken, necken oder freundlich grüßen.
Osterreiten
Sorbische und deutsche katholische Christen üben den Brauch gemeinsam aus. Am frühen Ostersonntagmorgen treffen sich die Reiter. Sie sind gekleidet mit schwarzen Gehröcken und Zylindern, auch ihre Pferde sind prächtig geschmückt und tragen in ihre Mähnen geflochtene bunte Bänder oder Myrte. Bevor die Prozession beginnt, gibt der Pfarrer den Reitern den Segen. Der Aussegnungsort wird dreimal umritten, dabei werden von den Reitern alte sorbische Choräle gesungen, dann geht es übers Land um die Auferstehung Jesus Christi zu verkünden. Es gibt zehn Prozessionen in der Oberlausitz, die sich aber nach alten Regeln unterwegs nicht begegnen dürfen. Diese Regel wird auch streng eingehalten.
Von Walpurgis-Feuern und Hexen
In der Nacht vom 30. April zum 1. Mai werden große Feuer entfacht, um die Hexen, die nur böses im Sinn haben und mit dem Teufel im Bunde stehen sollen, zu vertreiben. Oben auf den Holzhaufen wird eine lebensgroße Strohpuppe als Hexe gesetzt. Damit niemand den Haufen vor der Zeit anzündet, wird er bewacht. In der Abenddämmerung zieht ein Fackelzug aus dem Dorf zum Holzhaufen, der mit den brennenden Fackeln angezündet wird und die Hexe fällt den Flammen zum Opfer.
Das Maibaumsetzen
Der Maibaum gilt als lebensspendende Kraft und wird am Abend des 30. April in vielen Gemeinden gesetzt. Aufgestellt wird er meistens auf einem Festplatz, vor dem Rathaus oder vor dem Gemeindeamt. Damit im Heimatort der schönste Maibaum steht, hat die Jugend des Ortes viel zu tun: Eine große Fichte oder Kiefer muss gefällt und der Stamm geschält werden und anstelle des Wipfels kommt obenauf ein Birkenbäumchen. Ein Kranz, mit bunten Bändern geschmückt, wird von den Mädchen des Ortes gewunden. Da die Burschen aus den Nachbardörfern den Maibaum gern umwerfen oder gar stehlen, muss er die ganze Nacht von der Jugend bewacht werden, sonst wäre es eine große Schande für den ganzen Ort.
Pfingstsingen
Pfingstsonntag oder Pfingstmontag treffen sich mehrere Chöre und Instrumentalgruppen aus verschiedenen Nachbarorten im Wald oder auf einem Berggipfel zum Pfingstsingen, um schöne alte Volksweisen und besinnliche Kunstlieder vorzutragen und den lang ersehnten Frühling freudig zu begrüßen.
Das „Gierschdurfer Schissn“
Ursprünglich war das Gierschdurfer Schissn (Neugersdorfer Schießen) ein Schützenfest, an dem der Schützenkönig ermittelt wurde. Heute ist es das größte Volksfest der Oberlausitz, das am 25. Juli auf gar keinen Fall verpasst werden darf.
Das Kamenzer Forstfest
Seit Jahrhunderten wird es von den Kamenzer Schülern in der Bartholomäuswoche gefeiert. Punkt 13.00 Uhr am Forstfestmontag ziehen die Schüler auf den Schulplatz und singen dort altvertraute Forstfestlieder. Die Schüler sind ganz in weiß gekleidet, geschmückt mit Schärpen in den Stadtfarben, den Farben der Oberlausitz, in den sächsischen Landesfarben und in den Farben der Bundesrepublik Deutschland. Bunte Fahnen werden von den Jungen getragen und von den Mädchen Blumenkörbe, Füllhörner, Bögen und Blumenkränze. Eine Musikkapelle begleitet sie. Am Forstfestdonnerstag Abend ziehen die Kinder mit Lampions und Fackeln vom Forst zurück in die festlich beleuchtete Stadt und singen auf dem Marktplatz wieder ihre Lieder, danach beendet der Bürgermeister mit einer Ansprache das Forstfest.
Adlerschießen und Ritterstechen
Das Adlerschießen und Ritterstechen gibt es noch in einigen Oberlausitzer Orten zur Kirmes. Das Adlerschießen entstand, als der König den Bürgern das Jagdrecht verbot. So schossen sie auf einen Holzadler auf einer Stange, der mit einer Krone, dem Reichsapfel und Zepter geschmückt war; wer die Krone traf, war Schützenkönig.
Eine alte Volksbelustigung ist das Ritterstechen, mit verbundenen Augen wird versucht, mit einer Lanze auf eine selbstzusammengebastelte Ritterfigur, die einen Zielfleck auf der Brust hat, zu treffen. Wer am besten trifft, wird Ritterkönig.
Die Kirmes
Die Kirmes wird in jedem größeren Ort der Oberlausitz gefeiert. Die Kirmes ist das Kirchweihfest des Dorfes. Sie findet am häufigsten in den Monaten September und Oktober statt. Mit der Zeit wurde aus der Kirchweih ein heiteres Volksfest, manche sagen sogar, es sei ein rechtes Fress- und Sauffest, denn die Vorbereitungen für Essen und Kuchen dauern mehrere Tage. Am Abend gibt es im Gasthaus den Kirmestanz und für die Kinder werden Karussells und verschiedene Buden auf dem Festplatz aufgebaut. Die Kirmes dauert meist von Sonnabend bis Montag.
Flenntippel hinstellen
Flenntippel sind große Rüben, die von den Kindern in der Gegend um Eibau ausgehöhlt werden und Augen, Nase und Mund eingeritzt bekommen. Am Abend stellen sie dann brennende Kerzen hinein und der Rübengeist wird in den Vorgarten von Bekannten gestellt und dann an der Haustür geklingelt. Bei diesem alten Scherz wird sicher keiner mehr „flennen“. Alle, die einen Flenntippel gebastelt haben, bekommen etwas zum Naschen.
Das sorbische Bescherkind
Ein uralter Weihnachtsbrauch lebt weiter. Das Bescherkind zieht in der Vorweihnachtszeit von Haus zu Haus und besucht die Kinder. Eine wunderschöne vielfarbige Volkstracht mit einem Schleier, der das Gesicht verdeckt trägt das Bescherkind. Es verteilt kleine Gaben und erkundigt sich nach dem Wohlergehen der artigen Kinder. Wenn das Bescherkind die Kinder streichelt bedeutet es Glück, Gesundheit und alles Gute für die Kleinen.
Das Hosianna-Singen am Heiligen Abend in Kamenz
Das Hosianna-Singen war ein feierlicher Umzug der Lateinschüler am 6. Dezember zu Ehren des Heiligen Nikolaus, dem Patron der Lateinschulen in Deutschland. In Kamenz wurde das Hosianna-Singen nach der Reformation auf den 24. Dezember 18 Uhr verlegt. Die Schüler der oberen Klassen gehen mit Fackeln und von einer Kapelle begleitet vom Schulplatz zum Markt, dort singen sie gemeinsam mit den Kirchenchören die schönsten Weihnachtslieder. Am Ende bildet der Hosianna-Choral aus dem 16. Jahrhundert einen erhebenden Abschluss.
Diese Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hinweise zu fehlerhaften Angaben oder weitere Informationen nehmen wir hier dankend entgegen.